Wildpferde im Merfelder Bruch

Wenige Kilometer westlich der nordrhein-westfälischen Stadt Dülmen existiert schon seit frühesten Zeiten eine Herde wilder Pferde - die Wildpferde im Merfelder Bruch, die bereits im Jahr 1316 urkundlich erwähnt werden.

Damals umfasste ihr Lebensraum eine Fläche von mehreren tausend Hektar. Mit fortschreitender Kultivierung und Inbesitznahme des Landes wurden die Wildpferde immer mehr in den Bereich des Merfelder Bruches zurückgedrängt.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde ihnen durch die Familie Herzog von Croÿ ein auf mittlerweile rund 400 ha erweitertes Reservat, die Wildpferdebahn im Merfelder Bruch geschaffen. Diese ist mit ihren knapp 400 Wildpferden die einzig verbliebene auf dem europäischen Kontinent.

Lebensraum

Dieses weitläufige Gebiet, bestehend aus Moor, Heideflächen, Nadelwäldern und Eichenbeständen, bieten den Wildpferden ein abwechslungsreiches Nahrungsangebot. In den Wintermonaten werden die Tiere an einigen Futterstellen mit Heu versorgt. Bezogen auf ihre Lebensweise sind die Wildpferde sich selbst überlassen, folgen ihren Instinkten und sind nicht nur an das Nahrungsangebot, sondern auch an jegliche Witterungsverhältnisse in ihrem Lebensraum angepasst. Schutz finden sie in den Waldbeständen. Nur die an diesen Lebensraum angepassten Individuen können sich durchsetzen und ihre Gene weitergeben. Diese natürliche Selektion hat die Dülmener Wildpferde eine gesunde und widerstandfähige Pferdepopulation bleiben lassen.

Naturschutzgebiet Wildpferdebahn im Merfelder Bruch

Heute ist die Wildpferdebahn im Merfelder Bruch ein Naturschutzgebiet mit der Herde als wesentlichem Bestandteil. 
Oberstes Ziel des Naturschutzes ist hier die Arterhaltung des Dülmener Wildpferdes und alle damit verbundenen Tätigkeiten, die den Bestand der Herde fördern und langfristig in ihrer Existenz sichern. 

Zur Arterhaltung des Dülmener Wildpferdes gehört vor allem auch der Erhalt des Biotops (Lebensraum). Eine Änderung des Lebensraumes würde langfristig aufgrund der natürlichen Selektion auch einen anderen Pferdetypus prägen. 

Warum Arterhaltung von Pferden und nicht Zucht? Zucht von Pferden bedeutet, Pferde auf bestimmte Ziele hin zu selektieren, z. B. auf Geschwindigkeit, Zugleistung, Gang- oder Springvermögen, usw.. Der vom Menschen geförderten Zucht von Tieren sind zwei Dinge gemeinsam und unabdingbar: zum einen kann der Mensch nur nach Kriterien züchten, die er sehen und messen kann; zum anderen bedeutet die Zucht auf bestimmte Ziele hin eine Verengung der Erbanlagen (Genpool). Gesundheit, natürliches Instinktverhalten (angeborenes Verhalten) und weitere natürliche Verhaltensweisen können dabei verloren gehen. Vor allem geht wertvolles, ursprüngliches Erbgut der Schöpfung unwiederbringlich verloren. 

Daher kommt der Erhaltung der Primitivrassen (primitiv im Sinne von „ursprünglich“), die in ihrem natürlichen Lebensraum nach wie vor leben und der vollständigen natürlichen Selektion unterliegen, eine unschätzbare Bedeutung zu. Nur diesen Tieren - wie hier den Dülmener Wildpferden - bleibt das ursprüngliche Erbgut erhalten, das eines Tages notwendig sein wird, um die Haustierbestände des Menschen mit dem natürlichen Erbgut in seiner ganzen Fülle „aufzubessern“. 

Auch für die Verhaltensforschung ist die Wildpferdeherde ein wertvolles Betätigungsfeld. Eine solche Pferdepopulation wie hier im Merfelder Bruch, welche vom Menschen relativ wenig beeinflusst wurde, findet man nur noch sehr selten.

Daten des Naturschutzgebietes

Größe der Wildbahn
ca. 360 ha bzw. 3,6 km²

Nutzungsarten                       
45 % Wald, 50 % Wiesen und 5 %
Wege, Schneisen, Gräben, Arena

Klima                                     
mildes ozeanisch beeinflusstes
Klima, relativ geringe
Temparaturschwankungen
zwischen den Jahreszeiten

Frosttage                               
ca. 80 Frosttage
erster Frost etwa Ende Oktober
letzter Frost etwa Ende April

Niederschlag                          
Ø 700 - 800 mm/Jahr  
Hauptmenge im Juli/August

Wind
aus westlichen Richtungen

Wildpferdefang

Für den Erhalt der Wildpferde ist es notwendig, die ab einem Jahr geschlechtsreif werdenden Hengste aus der Herde herauszufangen, um u. a. Rivalitäten unter den Hengsten zu vermeiden. Dieser Wildpferdefang findet seit 1907 alljährlich am letzten Samstag im Mai im Merfelder Bruch statt. Die einjährigen Hengste werden von Hand gefangen und durch Versteigerung zum Kauf angeboten. Die Jährlingshengste verlieren schnell ihre Scheu vor dem Menschen und gewöhnen sich an ihre neue Umgebung. Ihnen wird ein kluger, gutmütiger, genügsamer, vor allem aber ein gelassener Charakter nachgesagt. Daher sind sie als Reitpferde für Kinder oder auch als Kutschpferde sehr beliebt.

Notwendigkeit des Herausfangens der Jährlingshengste

Geschlechtsreif werdende Hengste sind ständig versucht, einem Rivalen Stuten abzujagen, um eine eigene Herde zu bilden und um damit letztlich einen neuen Lebensraum zu besiedeln. Diesem Raumanspruch kann in unserer heutigen Kulturlandschaft nicht unbegrenzt entsprochen werden. Auch dieses Reservat hat trotz seiner Größe eine flächenmäßige Begrenzung. Bei begrenztem Lebensraum und einer größeren Anzahl von geschlechtsreifen Hengsten würde es unweigerlich zu erbitterten Rangkämpfen kommen. Außerdem vergrößert sich eine Pferdeherde wie eine Wildtierpopulation, wenn der Mensch nicht eingreift. Wolf und Bär als auch für eine Pferdeherde dezimierend wirkende Raubtiere finden in unseren Breiten schon lange keine Lebensbedingungen mehr vor. Daher ist der Wildpferdefang in Form des Herausfangens von jungen Hengsten eine Notwendigkeit geworden. Am schonendsten für die Pferde ist der Fang in der Arena durch den Menschen von Hand und ohne Hilfsmittel. Das anschließende Leben in der Obhut des Menschen bedeutet für den Wildling zwar den Verlust seiner Freiheit in der Wildpferdebahn, andererseits gewöhnt er sich bei artgerechter Haltung schnell an seine neue Umgebung und das Leben mit dem Menschen.

(C) Herzog von Croÿ'sche Verwaltung | Fotos: Fabian Simons